Kategorien
Feminismus Film Kultur

„Es gibt Dinge die in mir schlummern, die die Öffentlichkeit noch nicht gesehen hat.“

 

Hannah (Sylvia Hoeks) und Julian (Fair Yardim) bekommen ein Kind und denken zunächst, dass eine umgekehrte Rollenverteilung für alle das Beste ist. ©universumfilm

Interview mit Fahri Yardim vom 12.10.2017 im Hotel Sofitel, Berlin zu seinem neuen Film Whatever Happens.

The Vortex: Herr Yardim, in Whatever Happens sind Sie in Ihrer ersten Filmrolle als Fulltime Daddy zu sehen, der mit der Herausforderung klar kommen muss, dass seine Frau die Familie ernährt und er sich hauptsächlich um die Betreuung des gemeinsamen Kindes kümmert. Wie war die Zusammenarbeit mit Niels Laupert, dem Regisseur? 

Fahri Yardim: Es war unfassbar intensiv. Man geht gemeinsam durch Höhen und Tiefen dieser Beziehung wie in einer Achterbahn. Wir pendelten zwischen Feuerwerk und Tränental. Diese filmische Beziehung lässt einen nicht kalt Und vor allem den Regisseur nicht, der ein sehr junger, leidenschaftlicher ist. Wir drei sind in tiefste Auseinandersetzung gegangen, das war teils heftig, aber dem Film hat´s gut getan.

Und wie waren die Dreharbeiten mit Ihrer Filmehepartnerin Sylvia Hoeks, die gerade aktuell auch in Blade Runner 20149 zu sehen ist?

Sie ist eine hochtalentierte Kollegin und eine bezaubernde Frau. Kurz nach unserem Dreh erfährt sie von der Zusage für Blade Runner und verleiht uns damit nachträglich  einen Hauch von Hollywood.

Die Beziehung der beiden beginnt perfekt – Julian scheint alles im Griff zu haben, hat die richtigen Antworten parat, fängt Hannah auf, wenn es ihr schlecht geht. Dann fragt man sich, wo ist der Haken und ahnt Schlimmes, als die beiden in der Kinderbetreuung eine unkonventionelle Rollenverteilung einnehmen. Julian ist Fulltime Daddy, Hannah geht Fulltime arbeiten. Ist das alles zu schön um wahr zu sein?

Ich denke der Grund ist der Selbstverlust der durch die Rollenverteilung entsteht. Sie folgen ihrem modernen Anspruch, in ihrer Ausschliesslichkeit wird das Konstrukt allerdings gefährlich für die verleugneten Anteile ihrer Selbst. Sie entfremdet sich vom Mutterdasein und vom Kind und der Vater verliert an Selbstachtung, weil er sich über die Rolle des Vaters hinaus nicht mehr wahrnehmen kann. Das sind in gewisser Weise existentielle Bedrohungen, weil sie an den Grundfesten deines Selbstbildes rütteln.

Ich habe mich gefragt, warum sie nicht eine einfache Lösung wählen und sich diesen Druck nehmen, indem sie eine Nanny engagieren? Sie verdient ja sehr gut. Warum hängen sie ihre Ansprüche so hoch, das alleine schaffen zu wollen?

Es läuft in einer Beziehung manchmal gegeneinander, weil der eine ungewollt die Gegenseite zum anderen annimmt und dadurch die Projektionsfläche für den eigenen Mangel darbietet. Auf der einen Seite ist da die Mutter, die sich nach dem Kind sehnt und diese unbeschreibliche Verbindung zwischen Vater und Kind beneidet. Auf der anderen Seite ein Vater, der dieser erfolgreichen Jetlaggerin hinterher trauert und in ihr auch das Synonym für Freiheit sieht, welche er vermisst. Und so wird es eine gegenseitige Anschuldigung für den Verlust des Eigenen.

Julian kommt so rüber, als wenn er das Problem rechtzeitig hätte erkennen können und als Zuschauer stellt man diese Erwartungshaltung auch an ihn, das er es schaffen kann die Beziehung zu retten. Hannah hingegen erscheint einem einfach nur sehr gefangen in ihrer kühlen Businesswelt zu sein.

Ich denke er überschätzt sich da und wir überschätzen ihn auch. Die Dynamik des Unbewussten und der Probleme die der Alltag mit sich bringt, ist stärker als dass sie in einem Moment plötzlich entlarven könnte. Es ist ein schleichender Prozess, eine Enttäuschung über den Anteilsverlust der eigenen Person. Erst danach kommt die tief traurige Erkenntnis.

Schwingt denn eigentlich auch ein bisschen Kritik mit an dieser getauschten Rollenverteilung? So nach dem Motto, so kann es eben nicht klappen. Back to the roots.  

Ich habe das nicht so wahrgenommen, eher als zeitgeistige Herausforderung. Natürlich sehen wir einen Bruch mit den patriarchalen Vorstellungen, im Versuch der Neuverteilung der Rollen, aber trotzdem sind die Konflikte die dadurch entstehen menschlich und nicht männlich oder weiblich. In der Ausprägung in der die beiden sich Aufteilen ist es zu radikal, das erfahren die beiden schmerzhaft. Das Ende ist dann zwar offen, aber es gibt einen Hoffnungsschimmer.

Julian (Fair Yardim) bringt Hannah (Sylvia Hoeks) immer wieder zum Lachen, auch wenn es mal nicht so viel zu lachen gibt. ©universumfilm

Sie haben großes komödiantisches Talent und auch, was hier im Film mehr als deutlich wird, ein Talent auf einer tieferen, ernsten Ebene zu spielen. Diese beiden Talente im Wechsel werden hier in der Rolle des Julian sehr berührend eingesetzt. Als Zuschauer bewegt man sich von traurig bis hin zu sehr amüsiert. Ist das eine Rolle die Ihnen liegt? Ihre vorherigen Rollen spielten sich eher auf der komödiantischen, abenteuerlustigen Ebene ab.

Ich bin Niels Laupert sehr dankbar, dass er in mir diesen ernsthaften Teil gesehen hat und für dieses Vertrauen in mein Spiel, diese Rolle so ausfüllen zu können. Für Schauspieler ist die bunte Palette immer ein Reiz. Es gibt sicher Dinge die in mir schlummern, die die Öffentlichkeit noch nicht gesehen hat. Mir selbst sind sie nicht fremd und mit diesem Film kann ich etwas davon teilen.

Aus Ihrer Rolle im Tatort kennt man diese Seite natürlich bereits ein wenig, aber hier wird es noch deutlicher. 

Naja, im Tatort war ich bisher deutlich ein fröhlicher Ausgleich zur Ernsthaftigkeit der Geschichten. Whatever happens hingegen bietet mir Platz für die reiferen und trotzdem warmherzigen Momente des Menschseins.

Ein anderes großes Thema im Film sind Träume, bzw. die Unerreichbarkeit dieser. Bringt das Eltern werden den Verzicht auf Träume und das Ausleben mit sich?

Natürlich geht es auch um die Schmerzhaftigkeit, die diese Kompromisse mit sich bringen. Zeit  für Unverbindliches nimmt ab. Ich kenne das, im Überangebot, das zum Träumen einlädt, gerade in unserer heutigen Welt, die voller Möglichkeiten scheint, ein Selektionsprozess stattfinden muss. Gerade in einer Beziehung mit Kind fallen viele dieser Möglichkeiten weg. Dabei einigermaßen fröhlich zu bleiben und den Verlust dieser Wahlmöglichkeiten nicht zum Identitätsmerkmal werden zu lassen, fordert die Kunst des Lebens.

Vielleicht empfindet Hannah es auch nicht mehr als Kompromiss ihren Traum aufgeben zu müssen, wenn sie damit eventuell ihre Familie retten kann?

Ich glaube ihre Träume entspringen einer alten Vorstellung, die in einem Leben entworfen wurden, in dem sie sich nicht mehr befindet. Daher kann sie sich von diesem Gedanken leichter verabschieden. Und doch ist es eine Entscheidung für die Familie, die mit gewissen Verlusten einhergeht.

Was steht bei Ihnen als nächstes an? Ein weiterer Tatort?

Da will ich noch nichts verraten, den guten Hamburger Tatort lassen wir jetzt erstmal im Abstand reifen. Die 2. Staffel Jerks mit Christian Ulmen ist abgedreht. Die ist fantastisch geworden. Da steht die Männlichkeit wieder wunderbar am Abgrund. Ein idiotensicher Auftritt! Und mehr Zeit für meine Familie habe ich fest eingeplant.

Eine Frage zum Abschluss, in welcher Stadt lebt es sich besser: in Hamburg oder Berlin?

Hamburg ist Heimat, aber Berlin inspiriert mich momentan mehr. Hier gibt es noch ein paar mehr Lebensentwürfe, die aufeinander klatschen, ein paar mehr Kontraste. Aber der Hamburger Hafen wiederum, der ist nicht zu toppen. da bleib ich Hamburger Jung, die Elbe fließt durch meine Adern, wenn ich aber zu lange dort zu Besuch bin, kommt es mir immer etwas popelig vor. Andererseits sehne ich mich genau danach. Das Gute ist, sie liegen sehr nah beieinander, nur eine Station entfernt. Im Grunde genommen ist es eine Stadt.

Herr Yardim, vielen Dank für das Gespräch!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert