The Vortex: Kostja, bist ja hauptsächlich Filmschauspieler, was ist für dich die Herausforderung und das Interessante beim Sprechen von Hörspielen?
Kostja Ullmann: Als Kind habe ich bereits viel synchronisiert, bevor ich in den Beruf des Schauspielers eingestiegen bin. Dann habe ich eine große Pause mit dem Sprechen gemacht und viel gedreht, doch es kamen immer wieder Anfragen. Ich war immer großer Drei-Fragezeichen Fan und dass ich da mitsprechen durfte war eine große Ehre für mich. Als die Anfrage von Audible kam, den Rattenfänger zu sprechen, war klar dass ich das mache. Mit Kollegen wie Nina Hoss und Heino Ferch arbeiten zu dürfen macht großen Spaß. Am Anfang dachte ich, jetzt kann ich ja meinen Körper garnicht so einsetzen, wie beim Spielen, wie schaffe ich das jetzt, die Natürlichkeit beizubehalten? Das reine Sprechen ist eine ganz andere Arbeit, als vor der Kamera zu stehen. Man muss stimmlich sehr viel mehr reinlegen. Da haben mir die Regie und vor allem Nina Hoss sehr geholfen, die immer eine große Portion Natürlichkeit mitbringt.
Vortex: Es geht also darum, sich körperlich beim Sprechen nochmal ganz anders ausleben zu können, als beim Drehen? Das klingt spannend.
Ullmann: Genau, die Profisprecher gehen noch einmal ganz anders da ran, weil sie Techniken anwenden, die ich natürlich nicht gelernt habe. Ich versuche mir die Rolle zu erarbeiten und die Figur zu verstehen und dieses Gefühl dann zu vermitteln. Das hat dann viel mit Gestik und Mimik vor dem Mikro zu tun, das kann ziemlich wild werden. Die Anstrengung die die Figur in dem Moment erlebt, will und muss ich in dem Moment genauso durchleben.
Vortex: Wie wichtig ist der Text in der Vorbereitung und die Identifikation damit? Liest man da mal kurz drüber oder muss man schon extrem mitgehen können?
Ullmann: Der Text muss schon stimmen. Wir hatten ein Team von Autoren, die tolle Vorarbeit geleistet haben. Beim Sprechen merkt man natürlich schnell, ob sich ein Text richtig oder falsch anfühlt. Das muss schon mundgerecht sein, aber es muss auch immer in der Figur bleiben. Es ist die gleiche Rollenerarbeitung wie in der Schauspielerei. Der einzige Vorteil ist, dass man nicht den ganzen Text auswendig können muss. Um konzentriert zu arbeiten, muss ich allerdings sehr gut vorbereitet sein. Ich mache mir viele Notizen in den Text, um mehr Sicherheit zu bekommen.
Vortex: Befindet man sich mit den anderen Sprechern in einem Raum, oder ist man meistens alleine?
Ullmann: Beim ersten Teil hatte ich mir zu Beginn vorgestellt, dass wir uns alle in einem Raum befinden und das war dann nicht so, weil der Aufwand natürlich viel zu groß ist. Einen Aufnahmetag hatte ich mit Nina Hoss zusammen. Da habe ich ein Gefühl dafür bekommen, wo wir uns befinden, welchen Ton wir anschlagen, welche Intentionen, wie die Figuren miteinander agieren. Als ich dann alleine dran war, konnte ich mich an diesen Aufnahmen orientieren. Beim zweiten Teil war es anders herum. Da war ich zunächst alleine dran. Da war alles schon eingespielter.
Vortex: Man muss sicher schauen, dass die Stimme in der Zeit einiges aushält. Wie pflegt man sich?
Ullmann: Ich habe viele Hustenbonbons gelutscht und viel Ingwertee getrunken in der Zeit. Ich muss sehr darauf achten, dass die Stimme stabil bleibt.
Vortex: Was ist nun das Besondere an der Geschichte des Rattenfängers und vor allem an Teil II?
Ullmann: Es sind Geschichten die wir alle kennen. Wir sind mit Märchen und Mythen aufgewachsen und wenn man sich diese heute aus der Erwachsenenperspektive anschaut, wird deutlich, wie brutal und düster die teilweise sind. Das hat auch damit zu tun, dass die einige hundert Jahre alt sind und man durch überspitzte Geschichten die Abenteuerlust der Kinder eindämmen wollte, um sie zu schützen. Umso toller eignen sie sich zum Vertonen, weil sie so viel hergeben und uns an unsere Kindheit erinnern.
Vortex: Worum geht es im zweiten Teil des Rattenfängers?
Ullmann: Im zweiten Teil sind viele Jugendliche unabhängig voneinander in Straftaten verwickelt. Das erinnert an die Geschichte vom Struwelpeter. Hier werden sie ebenso für ihre Taten bestraft, sogar bis zum Tod. Es liegt auf der Hand, dass es der gleiche Täter sein könnte, aus dem ersten Teil. Deswegen wird in diese Richtung ermittelt.
Vortex: Was wäre eine Traumrolle, die du gerne einmal sprechen wollen würdest?
Ullmann: Das ist schwer zu sagen. Diese eine Traumrolle habe ich nicht. Eine lange Zeit war es Mogli vom Dschungelbuch. Ihn zu sprechen wäre eine schöne Idee. Ich liebe generell Crime Stories privat, das ist mein Genre. Ich höre viele Hörspiele und Podcasts. ZEIT Verbrechen zum Beispiel oder auch Die Therapie von Fitzek, da gibt es viele Beipsiele. Was mir auch großen Spaß macht zu Sprechen sind Animationsfilme, wo man auch mal überdrehen und übertreiben darf mit der Stimme. Das habe ich in der Schauspielerei selten.
Kostja, vielen Dank für das Gespräch!
Der Rattenfänger – Staffel zwei
Unabhängig voneinander werden mehrere Jugendliche in seltsame Straftaten verwickelt, die sich niemand erklären kann – und die zudem an die Geschichten des „Struwwelpeters“ erinnern. Anderthalb Jahrenach den traumatischen Ereignissen der ersten Staffel, versucht die ehemalige Polizistin Paula Beyer (Nina Hoss) sich eher schlecht als recht an ihr neues Leben als Zivilistin zu gewöhnen. Noch immer kann sie den Polizeipsychologen Dr. Grunwald (Heino Ferch) weder verstehen noch ihm vergeben, sie dienstuntauglich erklärt zu haben. Sieist nach wie vor davon überzeugt, dass Grunwald der wahre Täter ist, und er sie nur loswerden wollte. Nachdem Gerhard Ritter,der Polizeichef von Freidorf, verschwindet und am Tatort Paulas Name auftaucht, wird sie notgedrungen wieder zurück in die Kleinstadt geschickt. Dort trifft sie ausgerechnet auf ihren verhassten Polizeipsychologen, der betont, die Kinder, die der „Rattenfänger“ entführt hatte, psychologisch zu betreuen. Doch natürlich glaubt Paula ihm kein Wort. Kann sie die Wahrheit doch ans Licht bringen? Sie muss endlich herausfinden, wer hinter all dem steckt – und was vor über 30 Jahren wirklich geschehen ist.
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