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„Ich bin eher der Typ der nach vorne blickt“

Interview mit Nina Hoss am 29.04.2017 im Hotel de Rome, Berlin.

Nina Hoss über die Dreharbeiten zu Rückkehr nach Montauk mit Volker Schlöndorff, die Serie Homeland und die größte Liebesbeziehung ihres Lebens.

The Vortex: Frau Hoss, wie gehen Sie generell bei der Auswahl ihrer Rollen vor und was hat Sie an der Rolle der Rebecca in Rückkehr nach Montauk gereizt?

Nina Hoss: Am meisten interessieren mich Figuren die sich mir beim Lesen nicht immer sofort erschliessen. Menschen bei denen ich etwas spüre und mich frage, was steckt dahinter? Bei der Rolle der Rebecca war das auch so. Bei ihr fiel mir gleich auf, dass sie sehr aus dem Blick des Protagonisten Max (Stellan Skarsgard) betrachtet wird. Ich habe beim Lesen des Drehbuches gehofft, dass der Zuschauer sie auch selber entdecken darf und am Ende kommt es ja auch so und da wusste ich, dass ich etwas mit ihr anfangen kann.

Rebecca trifft Jahre später in New York auf ihren Ex-Partner, der sie damals unvorhergesehen verlassen hatte und mit dem sie jahrelang keinen Kontakt hatte. Auf Long Island konfrontieren sie sich noch einmal miteinander und mit der Vergangenheit. Sie scheint mir am Ende sehr gebrochen, eine tragische Figur zu sein, aber auch sehr unabhängig. Wie haben Sie sie wahrgenommen?

Ja, wir erleben sie in einem tragischen Moment ihres Lebens, aber diese Begegnung mit Max ist vielleicht gerade richtig. Ich hatte das Gefühl, dass sie schon sehr fassungslos ist über ihn und sein Verhalten und auch über das was damals passiert ist. Sie lebt ein einsames Leben mit ihren drei Katzen. Doch sie will sich der Sache noch einmal stellen. Diese Begegnung kommt mir vor wie eine Art Waschung. In der Figur steckt für mich Verzweiflung, aber auch eine große Erleichterung. Am Ende sitzt sie da wieder mit ihrer Katze und ich habe das Gefühl sie kommt schon klar. Sie findet zu sich und ihren Emotionen und kann dann neu ins Leben blicken. Ich finde die zwei Frauen, Clara und Rebecca, gehen erstarkt aus der Geschichte heraus. Max ist derjenige, der eher schwach rüberkommt.

Worin liegt denn der Reiz für Max mit Rebecca Dinge noch einmal aufleben zu lassen? Was für ein Charakter ist er?

Max ist ein typischer Autor. Er ist jemand der sein Leben mit einem jungenhaften und träumerischen Blick lebt und alles in Fiktionen verwandelt, was ihn umgibt. Alles ist für ihn immer ein bisschen größer, als es wirklich ist. Das hat einerseits eine Faszination, weil man sich dadurch eine Naivität und Frische beibehält, andererseits geht es oft auf Kosten anderer. Max reflektiert nicht, was bei seinem Gegenüber wirklich passiert. Deswegen denkt er auch, dass er sich in der Zwischenzeit nicht verändert hat. Er hat leider überhaupt nichts begriffen. Er ist sich keiner Schuld bewusst. Und dann kommt die Frage auf, ob man über gewisse Dinge einfach hinwegsehen kann?  Es noch einmal miteinander versuchen kann? Ist das überhaupt möglich, Vergangenes auszublenden?

Rückkehr nach Montauk mit Nina Hose in der Hauptrolle.

Genau, es geht um den Versuch die Vergangenheit wieder zurück zu holen, Fehler im Leben korrigieren zu wollen, die man gemacht hat – getane und ungetane Dinge im Leben, Reue. Ist das eine Einstellung, welche Sie nachvollziehen können oder sind Sie eher der Typ der gut mit Dingen abschliessen kann?

Ich habe so eine Geschichte nicht erlebt, aber ich denke, ich bin eher der Typ der nach vorne blickt. Fehler die man gemacht hat, zu denen müsste man dann stehen und dürfte sie nicht klein reden. Aber zurück zu gehen und an einem Punkt noch einmal anzusetzen, das würde mich nicht wirklich interessieren. Ich habe auch intuitiv das Gefühl, das geht gar nicht. Es wird immer anders sein.

Haben Sie nach der Fertigstellung eines Films oft das Gefühl komplett abgeschlossen zu haben mit ihrer Rolle?

Ganz abgeschlossen hat man meistens nicht. Hätte man vorher gewusst, dass Dinge in einer gewissen Art und Weise geschnitten werden, dann hätte man es anders gemacht, das denke ich manchmal schon. Machmal ist man nicht so zufrieden, wie es sich entwickelt hat. Das kommt vor. gibt es schon. Beim Theater hat man dieses Gefühl permanent. Da bist du bis zur letzten Vorstellung nicht fertig mit der Figur. Das geht auch gar nicht anders, weil man sonst keine Lust mehr hätte die Rolle zu spielen. Hier entsteht einfach noch vieles in dem Moment des Spielens, Partner spielen auf einmal anders. Mit der Zeit begreift man plötzlich Dinge ganz anders, wenn man Stücke lange spielt. Manche habe ich ja Jahre lang gespielt und dann wächst diese Figur natürlich mit einem mit. Das ist sehr interessant und spannend.

Till Schweiger ist als Produzent beteiligt an dem Film. Würden Sie auch mal in einem Film mitspielen, mit ihm als Regisseur?

Ja, warum nicht. Es geht mir um die Geschichte, die erzählt wird und ob diese mich interessiert und ob ich das Anliegen mag, warum sie erzählt wird. Ich habe keine Berührungsängste mit Unterhaltung. Till Schweiger wird gerne als Gegenpol angesehen zu dem, was ich meistens drehe. Aber in diesen Kategorien denke ich nicht. Wenn es mich interessiert, wenn es eine Qualität hat, kann es auch eine Komödie sein. Ich habe auch überhaupt nichts dagegen, wenn man einfach mal Spaß hat. Solange anderes auch seinen Platz findet. Das muss nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das ist eine Erfahrung zum Beispiel die ich in Amerika gemacht habe, da gibt es das so nicht.

Wenn Sie ihre Dreherfahrung der amerikanischen Serie Homeland vergleichen mit der deutschen Art zu drehen – wie groß sind die Unterschiede? 

An meinem ersten Drehtag war ich schon sehr gespannt, denn ich war vorher noch nie auf einem so großen Set gewesen. Ich wußte wirklich nicht, was jetzt passiert und war dann sehr überrascht, wie ähnlich das Drehen der Serie dem Filmemachen im herkömmlichen Sinne ist. Es herrschte große Konzentration auf kleinem Raum. Es war nicht größer, als bei uns. Das Drumherum hingegen ist groß und das Set großzügig abgesperrt. Man kam sich vor wie in einem Trailerpark, im Gegensatz zu den Guerilladrehs in New York mit Volker Schlöndorff. Aber beim tatsächlichen Arbeiten ist der Unterschied überhaupt nicht groß.

Wenn Sie die Arbeitsweise des alten Autorenfilmers Volker Schlöndorff, mit der Arbeitsweise des jungen Autorenfilmers Christian Petzold vergleichen – gibt es da Gemeinsamkeiten? 

Das tolle an Volker Schlöndorff ist, dass er unwahrscheinlich neugierig ist, er verlässt sich nicht auf das was er weiß. Und er hat eine große Gelassenheit, da kann man als Schauspieler viel improvisieren. Diese Neugierde kenne ich von Christian auch. Beiden ist gemein, dass sie die Geschichte geschrieben haben und das spürt man beim Arbeiten. Sie wissen alles über sie und das führt dazu, dass sie die Kontrolle abgeben können, sich in dem Moment überraschen lassen können von dem, was die Schauspieler der Geschichte hinzuzufügen haben. Diese Liebe und Zugewandtheit zu seinen Darstellern habe ich bei beiden so erlebt.

Frau Hoss führen Sie eine Liebesbeziehung mit Ihrem Beruf?

Ja absolut, ich würde sagen da ist eine große Leidenschaft vorhanden. Mein Beruf und das, was ich damit erleben kann fasziniert mich sehr. Er öffnet mir Türen und lässt mich über das Leben nachdenken, bringt mich persönlich ständig weiter. Das fasziniert mich nach wie vor.

Frau Hoss – vielen Dank für das Gespräch!

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