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Feminismus Film

Ich mache mir vorher viele Gedanken und frage mich: welches Frauenbild will ich zeigen und welches nicht?

© LEONINE Studios / Wiedemann & Berg Film / Bela König

The Vortex: Frau Tonke, in Ihrem neuen Film „Feste und Freunde“ (seit 2. Januar im Kino) von David Dietl geht es um Freundschaft, die Liebe und vor allem um Feste und Urlaube, bei denen alle immer wieder zusammen kommen. Wie wichtig ist Ihnen Freundschaft?

Laura Tonke: Es ist schon so, dass der Film bei mir ein paar Fragen aufgeworfen hat, in der Auseinandersetzung mit dem Thema Freundschaft und wie Freunde hier dargestellt werden. Es geht ja um das Miteinander, das Feste Feiern. Da habe ich mich gefragt, wie feiere ich eigentlich Feste und wie verbringe ich meinen Urlaub? Dabei merkte ich, vor allem in diesem Jahr, wie wichtig Freunde mir sind, bzw. merkte, dass der Fokus eine lange Zeit auf meiner Familie lag. Nach einem langen Dreh habe ich das Gefühl, dass es nicht gut ist, Freunde in dieser Zeit zu vernachlässigen, und ich das wieder ausgleichen muss, weil mir das wichtig ist. Ich finde Freundschaften immer wichtiger, und ich habe gelernt, dass es nicht so leicht ist, mit jemandem wie mir befreundet zu sein und das auszuhalten. Da gab es schon ein paar Beschwerden in letzter Zeit. Man muss Freundschaften, genau wie bei der Familie, wieder auffüllen und sich aktiv darum kümmern. Ich glaube, das ist sehr wichtig.

V: Es geht hier ja nicht nur um Feste und die guten Zeiten, sondern auch um Freundschaft in schwierigen Zeiten, wie z. B. in der Coronazeit. Wie war das bei Ihnen?

T: Ich habe das Gefühl, in der Coronazeit kam man schon runter, man war nicht so gestresst, obwohl ein Teppich an Stress unter einem lag. Ich finde die Zeit jetzt viel schlimmer, bedrohlich und anstrengend, und dem können wir mit unserem Film etwas entgegensetzen.

© LEONINE Studios / Wiedemann & Berg Film

V: Die Liebe ist in dem Film eher ein Phänomen, das kommt und geht, und die Freundschaft ist die wahre Konstante. Sehen Sie das auch so, oder sind die beiden für Sie gleichberechtigt?

T: Für mich sind das zwei verschiedene Sachen. Ich bin mit einem Chilenen verheiratet, und da steht Familie über allem, und letztendlich ist Familie auch Freundschaft. Mein Partner hat seine besten Freunde in Chile, seit er vier Jahre ist, und die sind fast wie Familie. Die kennen sich alle, inklusive der Eltern und Geschwister. Man erkundigt sich auch nach ihnen. Wenn sie zu Besuch sind, ist das ein extrem heimeliges Gefühl.

© LEONINE Studios / Wiedemann & Berg Film / Bela König

V: Die Rolle der Ellen ist wie maßgeschneidert für Sie. Als Protagonistin ist sie fast immer im Fokus, hat eine große Stärke und Souveränität, aber eher aus einer Außenseiterrolle heraus und ist auch oft verzweifelt. Alle verlieben sich und scheinen glücklich, nur bei ihr will es nicht so richtig klappen. Am Ende kommt es dann doch bei allen anders. Wurde Ihnen die Rolle auf den Leib geschrieben?

T: Ja, in diesem Fall wollte der Regisseur David Dietl sehr gerne, dass ich die Rolle spiele. Das ist schon eine Rolle, die mich anspricht bzw. anspringt. Dann ist es aber auch so, dass es Teil meiner Arbeit ist, diese Rollen an mich heranzuholen. Sie so zu verinnerlichen, so für mich nachvollziehbar zu machen, dass ich alle meine Erfahrungen in sie reinstecken kann. Das ist die Arbeit, den Humor der Figur zu entdecken und zu zeigen, wie schrecklich und doof Leute sein können, und man sie trotzdem mag. Beim Casting war ich dennoch, und ich habe auch schon Rollen nicht gekriegt.

© LEONINE Studios / Wiedemann & Berg Film / Bela König

V: Man hat das Gefühl, da steckt schon viel von Ihrer wahren Persönlichkeit drin: den Humor an den richtigen Stellen rauszuholen und sowas von treffsicher einzusetzen.

T: Ja, ich mache mir im Vorfeld schon viele Gedanken. Wer ist diese Figur Ellen? Was habe ich schon tausendmal im Kino gesehen, was will ich nicht mehr sehen? Was kann man zeigen? Aber auch: Was ist moderner Humor und vor allem, welches Frauenbild will ich zeigen, welches nicht?

V: Die Basis des Films bildet die Bande zwischen den beiden Frauen Ellen und Natalie, die immer wieder außerhalb der Feste mit den Freunden aufeinandertreffen und sich austauschen, beraten und füreinander da sind. Wie wichtig sind solche Verbindungen unter Frauen?

T: Interessanterweise merke ich, dass ich die Frauenbande auch am Set als viel schöner erlebe als mit 20 Jahren, wie mit meiner jungen Kollegin im Film Katja Fellin. Ihre Generation ist da eh schon einen Schritt weiter, denn sie hat überhaupt keinen Konkurrenzgedanken. Das finde ich total schön, und dieses Gefühl möchte ich auch übertragen und erzählen. Und zwar ohne damit erzählen zu wollen, Frauenfreundschaften sind interessanter als die unter Männern. Nur: Die Historie des Konkurrenzgedankens unter Frauen hat was mit dem Patriarchat zu tun. Wir Frauen merken, die Luft oben wird dünn, wir müssen um etwas kämpfen. Ich empfinde das immer mehr als befreiend, dass wir das nicht mehr tun müssen. Denn das ist für mich ein Zeichen, dass sich etwas ändert.

© LEONINE Studios / Wiedemann & Berg Film / Bela König

V: Sie haben auch viel Theater gespielt, u. a. an der Volksbühne. Was sagen Sie zu den Kürzungen im Kulturbereich des Berliner Senats?

T: Das ist eine absolute Katastrophe. Das geht überhaupt nicht, was da gerade passiert, und es passiert an der völlig falschen Stelle. Die Kürzungen machen im Haushalt ja nur zwei Prozent aus. Und wenn irgendjemand sagt, die Kassiererin an der Kasse würde nicht in die Oper gehen (Zitat von Kai Wegner, Anm.d.Red.), da kann ich nur sagen: Wer weiß denn, ob ihre Tochter nicht Opernsängerin werden möchte? Soll denn das nicht möglich sein? Ist Kunst denn nicht so viel wichtiger, als immer getan wird?

V: Spielen Sie denn mal wieder Theater in nächster Zeit?

T: Ja, mit dem Gob Squad rede ich gerade über ein Projekt. Die geben mir ein Gefühl von Gemeinsamkeit, was ich sonst nirgendwo bekomme.

Vielen Dank für das Gespräch, Laura Tonke!

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